Die Puppe – Liebe à la 21. Jh.


„Die Puppe“ von Miro Gavran hatte am zweiten November-Wochenende 2019 Premiere im Theater Neu-Ulm. Es war ein Ereignis. Tolle Reaktionen während der Show, langanhalter Schluss-Applaus und die ersten überschwänglichen Reaktionen nachher lassen eine gefragte Produktion erhoffen.

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Vor beinahe ausverkauftem Haus ging die „Liebes-Story à la 21. Jahrhundert“ über dievon Claudia Riese ausgestattete Bühne, stilgerechter Wohnraum des schlampigen, unfreiwilligen Singles Marko. Dieser Marko, mit Überzeugung gespielt von Marcus Jakoveljevic, kam bislang mit Frauen nicht zurecht, weil er sich vom alten Männer-Bild nicht lösen konnte. Nun glaubt er, mit einer lebensechten Puppe eine Beziehung ganz nach eigenem Geschmack und Vorlieben, ohne irgendwelche Verpflichtungen eingehen zu können. Schon beim Auspacken der per Kiste angelieferten Androidin die Überraschung: Die von Marko auf den Namen „Stella“ getaufte neue Mitbewohnerin (hinreißend: Dalma Viczina) entwickelt vom ersten Augenblick an einen eigenen Kopf. Wobei „eigener Kopf“ nicht nur etwas daneben ist – steckt doch eine Informatik-Professorin dahinter, Barbara, die  ihrem Geschöpf ihr Männerbild einprogrammiert hat. Und dieses Männerbild ist ganz auf dem allermordensten Stand des neuen Feminismus. Marko stellt also fest: Die Puppe ist noch schlimmer als eine gewöhnliche Frau.

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Man kann so ein Stück natürlich so oder so – und allerdings auch sooo inszenieren, also so, wie es die Riese im Theater Neu-Ulm erarbeitet hat. Ihre Basis ist das, was Barbara intendiert. Ohne die üblichen, hinlänglich bekannten Männer-und-Frauen-Klischèes zu bedienen, macht die versierte Regisseurin mit ihren beiden Protagonisten schnell klar: Männer, Ihr müsst so allmählich umdenken. Wenn Ihr weiterhin so tumb und unempathisch durchs Gelände rennt und Beziehungskisten nach altem Muster pflegen wollt, seid Ihr Ausschussware und werdet in der Kiste zurück-expediert. Schon in der Pause, meinte eine Besucherin, ihr Mann habe mächtig schlucken müssen angesichts dessen, was da so von der Bühne herunter auf ihn einsprudelte. Er hat aber bis zum Schluss durchgehalten.

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So wurde das Ensemble – wie schon erwähnt – mit Beifall überschüttet. Zwei Theatergänger, welche die Generalprobe gesehen und die als „genial“ bewertet hatten, wurden durch den aus Bamberg angereisten Übersetzer des Stückes, Tihomir Gloeatzky, bestätigt: Vor der Vorstellung hatte er ins Gästebuch geschrieben: „Ich, der ich die Ehre hatte, das Stück zu übersetzen, bin sehr auf die Premiere gespannt.“ Nachher trug er ins Gästebuch ein: „Bin begeistert.“ Und dann, bei der Premierenfeier lieferte er nach mit Komplimenten an die Riese („Sie tragen diesen Namen zu recht“) für so etliche hübsche Regie-Einfälle, welche dem Stück vor allem unter tätiger künstlerischer Mithilfe von Dalma Viczina einige zusätzliche Glanzpunkte aufsetzen (über die hier nichts verraten werden soll).

Vor allem lobte er an der Neu-Ulmer Produktion, dass die Kunst-Frau Stella – eben: Handschrift einer weiblichen Regie – eine anderswo nicht entdeckte Entwicklung durchmacht, statt (wie anderswo), plötzlich in der letzten Szene von der KI-Existenz in eine sehr menschliche Haut zu schlüpfen.

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