„Fast Faust“ ausgegraben


Die Notizen hatte Facebook ja beendet. Wer da was festhalten wollte, ist nun gekniffen. Manchmal erinnert fb aber an eine solche Veröffentlichung – und so kann ich hervorkramen, was wir damals „notiert“ hatten.

Faust (Heinz Koch, links) und Mephisto (Richard Aigner)

„fast Faust“ bringt Bewegung ins Publikum – ja, das ist deutlich zu spüren. Zwar kommen immer wieder und immer wieder Menschen auf die Idee, zu uns zu kommen, welche vorher noch nie bei uns waren (und es kommen natürlich auch immer wieder die, die schon – oft – bei uns waren). Aber die ersten Vorstellungen „fast Faust“ hatten irgendwie ein interessantes Flair. Schön, was da vom Parkett auf die Bühne flutet …

Erstaunlich: Nach den beiden Vorstellungen, die wir jetzt nach der Premiere gespielt haben, blieb das Publikum nach dem Verlöschen der Bühnenlichter sitzen. Ruhig. Zunächst kein Beifall. Dann applaudierten sie, allerdings erheblich verzögert. Gerührt von der Kerker-Szene? Vielleicht. In einer Rezension hatte ja gestanden: „Aigners Darstellung des Gretchens hat sogar etwas derart Anrührendes, dass sie die Travestie fast vergessen lässt“. Tatsächlich sagten BesucherInnen nachher im Foyer zur Chefin (und Regisseurin, Claudia Riese):  „Schade, dass es dann aus war. Wir hätten gern irgendwie weiter geguckt.“

Na ja, der „Faust I“ ist halt zu Ende mit: „Sie ist gerichtet“ – „Ist gerettet“. Aber in meinem selbstverfassten Stück „Helden auf dem Abstellgleis“ sagt ja der „Spocky“ nicht von ungefähr (zugegeben: prahlerisch):

„Ich gebe ja nun zu, wenn der Schluss eines Theaterstücks bedeutungslos, hohl und unbefriedigend ist, dann ist das niederschmetternd. Kommt aber immer wieder vor. Nehmt den berühmten Faust. Der hat zwar einen glänzenden Anfang – Vorspiel auf dem Theater, ‚Prolog im Himmel‘ mit der „Wette Mephisto / Der Herr“. Aber der Schluss – niederschmetternd, mein lieber Herr Gesangverein! Das Missbrauchsopfer ist angeblich gerettet, aber tot. Der Täter jedoch kommt davon?! Mein lieber Johann Wolfgang von … mir graut vor Dir! Seit meiner Schulzeit find ich den Schluss so arg bescheiden. Als ich heute Morgen so im Bett lag, nicht mehr schlafen konnte, da hatte mein Anfall von seniler Bettflucht auch ein Ziel: Ich hab in einer kleinen Fingerübung dem Mangel in diesem Stück Weltliteratur endlich abgeholfen und dem Faust per Epilog einen starken Schluss verpasst.“

Vielleicht sollte ich den Epilog bei „fast Faust“ anhängen … Geht nur nicht so richtig, weil er das „Vorspiel auf dem Theater“ passagenweise und vom Aufbau her aufnimmt – nämlich mit drei Personen. Bei „fast Faust“  sind wir aber ja nur zwei. Schade! Müssen die Leute, nachdem sie doch auch reichlich gelacht hatten, am Ende etwas bewegt (gerührt?) da sitzen. Macht mir auch Spaß! Die Klatscherei ist ja doch nicht das Wichtigste, Erhebende, Beglückende …

Euch, die Ihr vielleicht bis hierher gelesen habe, poste ich doch noch den Epilog (und sage mit meinem „Spocky“: „Zugegeben – genial. Aber Schlüsse für Bühnenstücke zu schreiben, ist keine Kunst. Viel schwieriger ist es, den Schluss auf der Bühne des Lebens hinzukriegen …“):

Lustige Person:

Das also ist des Stückes Schluss?

Verzeiht mir, wenn ich darob lachen muss.

Da wünschte einer anfangs doch, der Menge zu behagen.

Bei diesem Ende wette ich, sie geht ihm an den Kragen.

Dichter:

Die Wette solltest Du verlieren

Die Menge wird das Stück goutieren.

Es bringt von allem doch genug,

den Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug.

Zeigt ungebändigt jene Triebe:

das tiefe, schmerzenvolle Glück,

des Hasses Kraft, die Macht der Liebe.

All das erfährt das Publikum im Stück.

So ist es echt und bleibt der Nachwelt unverloren,

ist nicht allein dem Glanz des Augenblicks geboren.

Lustige Person:

O, reimt nur träumerisch in einem fort.

Ich wiederhol‘, was ich schon anfangs sagte:

Wenn alle von der Nachwelt reden,

Wer zum Teufel macht der Mitwelt Spaß?

Den will sie doch!

Ihr aber schließt das Schauspiel düster ab:

Die Grete „Ist gerettet“ zwar, doch tot!

Den Sauhund Faust lässt Du ganz ungeschoren.

Der hätte doch die Höllenfahrt unzweifelhaft dreimal verdient.

Drum seid nur brav und zeigt Euch musterhaft,

schreibt einfach einen neuen Schluss.

Dichter:

Ihr fühlet nicht, wie schlecht ein solches Handwerk sei,

wie wenig das dem echten Künstler zieme?

Lustige Person:

Mit wieviel Kunst ihr schreibt – das steht Euch frei.

Nur – dass die Kunst gefällig sei.

Mephisto:

(lässt beide zum Standbild erstarren,  zum Publikum)

Was wettet Ihr? Den (zum Dichter) werd ich Euch verführen.

Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,

ihn meine Straße sacht zu führen.

Staub soll er fressen und mit Lust.

Ich wollt nicht mehr Mephisto sein,

würd er verschmäh’n, der Menge zu gefallen.

Ganz andre schwuren, ihre Kunst sei rein,

um dann fürs rote Gold Beliebiges zu lallen.

Ihr zweifelt? Pah! Das dauert gar nicht lange.

Mir ist für diese Wette gar nicht bange.

Ihr aber müsst Euch fragen, ob’s nicht frommt,

wenn Fausten in die Hölle kommt.

Der soll das Ende neu erdichten

und Faust statt Margareten richten.

(Geht teuflisch lachend ab, Licht geht langsam aus)

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