Pläne, Possen, Publikum


Vor wenigen Tagen verfasste jemand anonym (was wir ausdrücklich auch gestatten) nach dem Besuch einer show von „Halbnackte Bauarbeiter“ auf unserem blog „Publikums-Stimmen“ einen Kommentar, der uns zu einer ausführlicheren Replik verführt hat.

Hier zunächst der vollständige Kommentar:


Anonym 19. Februar 2024 um 19:56

„Wir waren gerne Ihre Gäste. Es war warm und behaglich. Die Atmosphäre einem Theater entsprechend. Die schauspielerische Leistung der Darstellerin ist bemerkenswert. Allein der viele Text verlangt höchste Konzentration. Es war nie langweilig. Im Gegenteil, die Zeit verging wie im Fluge. Sie hat die Bühne mit ihrer Präsenz gefüllt. Mein Respekt an dieser Stelle.

Es war jetzt das dritte Stück, dass ich in Ihrem Haus sehen durfte. Alle waren von Lust, Liebe und Männern geprägt. Letzteres in einem überzogenen Bild das die Männer zum Teil lächerlich dastehen lässt. Brauchen Frauen das, um sich besser zu fühlen?
Gerne würde ich bei Ihnen im Haus auch einmal Schauspiele sehen, die über eine Posse hinausgehen.“


Und hier unsere Antwort:

 Vielen (und wirklich: herzlichen) Dank für dieses feedback. Es verführt uns zu einer etwas detaillierten replik. Zunächst mal ein Fundamental-Satz: Das Thema „Männer und Frauen“ ist nach unserer Einschätzung DAS Thema unserer Gesellschaft, an dem wir nun mal nicht vorbeikommen.

Eine kleine, notorisch unterfinanzierte private Bühne wie das Theater Neu-Ulm MUSS einfach (neuerdings vor allem infolge der Zurückhaltung des Publikums während UND infolge der Pandemie) publikumsträchtige Stücke spielen. Das machen wir wie die großen Privatbühnen Deutschlands – die „Komödie im Bayerischen Hof“, das „Renaissance-Theater“ in Berlin und wie all‘ unsere anderen Kolleginnen und Kollegen mit großen, aber auch vor allem die mit kleinen Häusern.

Warum allerdings an Ihnen unsere andersartigen Produktionen sooo vorbeigegangen sind, wissen wir natürlich nicht. Unlängst (nach Ende der fürs Theater furchtbaren lockdowns) „Nicht mehr ganz dicht“ zum Beispiel oder auch „Das Klassentreffen“ oder (ganz früher) „Sex – aber mit Vergnügen“ oder „Schluss mit lustig. Ein Komiker gibt auf“ oder „Zwei wie Bonny und Clyde“ oder „Der Lawinenauslöser“ oder „Der Abstecher“ oder (ganz besonders herauszuheben: ) „Honig im Kopf“.


Wer auf unserer Webseite die Liste der gespielten Werke (vor allem unserer Eigenproduktionen wie „Loriot-Abend“ oder „Hach, bin ich wieder ein Schelm“, „OhneNetz …“, „Chaos-Lesen“, „Der 9. November“ u.v.m.) anschaut, wird rasch auch vieler Stücke mit anderer Thematik ansichtig.  So hatten wir u.a.  im Spielplan: „Klamms Krieg“, „Miriam ganz in Schwarz“, „Die Räuber“, „Executor 14“, „Der Herr Karl“, „Die Puppe“, „Die Unterrichtsstunde“, „Ein Bisschen Ruhe vor dem Sturm“, „Port Authority“, „Salzwasser“, „Novecento. Die Legende vom Ozeanpianisten“, „Marlene in Paris“ und und und   – alles keineswegs Possen zum Thema Männer und Frauen. Dementsprechend waren sie (weniger gut) besucht.

Ordnen Sie „Heisenberg“ auch als „Posse“ ein? Oder war „Der Enkeltrick“ geeignet, Männer lächerlich zu machen? War „Solo oder: Die Große Liebe finden“ so einzusortieren oder „Burton & Taylor“ oder „en suite. Allein mit Audrey Hepburn“?

Ganz sicher trifft Ihr Empfinden doch nicht zu auf Krimis wie „Fünf Frauen und ein Mord“, „Zwei Frauen und eine Leiche“, „Bis dass Dein Tod uns scheidet“, „Fisch zu Viert“, „Mann – sooo ein Theater“ oder „Die 39 Stufen“ oder „Ein Deal à la Hitchcock“ oder „Die erfolgreiche Frau“ oder „Der Lawinenauslöser“  oder oder oder.

Plakat zu unserer preisgekrönten Eigenproduktion „Helden auf dem Abstellgleis“

Auch das bei den Bayerischen Theatertagen mit einem Preis ausgezeichnete „Helden auf dem Abstellgleis“ hätte Ihnen sicher ebenso gefallen wie „Dostojewski mit Musik: Enthüllungen aus dem Kellerloch“ oder unsere beiden „Faust“-Versionen.

Jetzt haben Sie eine (eingestanden: reichlich) lange Antwort provoziert, dankenswerter Weise. Sie geben damit uns – die wir Sie keineswegs brüskieren wollen – die Chance, eine Wissenslücke zu füllen, und Sie – so hoffen wir sehr – aufmerksam zu machen auf zukünftige Produktionen in unserem Hause, welche Ihrem gusto mehr entgegenkommen.

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